HEINRICH OEHMSEN

Anna Schäfer über Stella an den Hamburger Kammerspielen

Stella in den Hamburger Kammerspielen hätte eigentlich im Herbst 2020 Premiere feiern sollen – nun ist es endlich so weit. Wir haben mit Anna Schäfer über die Premiere, die Probenarbeiten und vieles weitere gesprochen.

von Heinrich Oehmsen 

Eigentlich hätte Stella bereits vor einem Jahr an den Hamburger Kammerspielen Premiere feiern sollen. Doch dann kam im Herbst 2020 schon der nächste Lockdown und die Fenster für kulturelle Veranstaltungen schlossen wieder. „Wir haben dennoch bis zur Generalprobe gearbeitet“, erzählt Anna Schäfer. Sie wird die Titelrolle in Goethes Tragödie spielen.

„Wir fangen zwar nicht bei null an, aber es ist noch ein Stück Arbeit bis zur Premiere“, sagt sie bei einem Gespräch im Abaton-Bistro, das nur fünf Gehminuten von den Kammerspielen entfernt liegt. „Wenn man ein Stück schon ein paar Mal gespielt hat, kann man es nach einer längeren Pause leicht wieder hervorholen. Doch wir haben bis zum Schluss immer wieder Änderungen vorgenommen, da hat sich noch nicht jedes Detail gesetzt. Aber wenn man diesen Beruf mit Begeisterung macht – und ohne Begeisterung geht es nicht – dann funktioniert das auch.“

Für die in Berlin und Hamburg aufgewachsene Schauspielerin, Jahrgang 1973, bedeutet die Rolle eine Rückkehr auf eine „klassische“ Theaterbühne. In den vergangenen Jahren hat Anna Schäfer sich neben ihren kabarettistischen Programmen vor allem in Film- und Fernsehproduktionen getummelt. 2019 übernahm sie für das Euro Studio Landgraf die Hauptrolle in einer Adaption von Fatih Akins Kino-Thriller Aus dem Nichts, das im April 2022 erneut auf Tour gehen wird.

„Das Angebot kam damals genau zur richtigen Zeit. Ich habe mich nach so viel Comedy und Kabarett nach einer größeren Rolle gesehnt, um aus diesem Nummerntheater herauszukommen“, sagt sie. „Und dann rief Anja Del Caro, die Dramaturgin der Kammerspiele, im September 2020 an, und bot mir die Titelrolle in Stella an. Das war fantastisch.“ Nach einem ersten Treffen mit Regisseurin Amina Gusner sagte Schäfer zu.

Anna Schäfer in Stella © Bo Lahola

In Gusners Inszenierung und ihrer Fassung stehen die Geschlechterrollen auf dem Prüfstand. „Wir wollen den Narzissmus der Figuren erzählen, die beispielsweise Schuldbewusstsein oder das verzweifelte Festklammern an Erinnerungen mit Liebe verwechseln. Die Frauen definieren sich über den Mann. Sie sind bei Goethe noch in dem Modell gefangen, dass sie ihn brauchen, um vollständig zu sein“, berichtet Schäfer über Gusners Regieansatz. Auch die pathetische Sprache wird sich in der Inszenierung wiederfinden, „allerdings brechen wir immer wieder aus und gehen spielerisch mit der klassischen Sprache um.“

Goethe hat für sein Trauerspiel zwei unterschiedliche Schluss-Szenen geschrieben. In der ersten leben Stella, ihr Geliebter Ferdinand und dessen Ehefrau Cäcilie in einer Dreier-Beziehung, in einer späteren Fassung wählt Stella den Freitod. Wie das Stück in Gusners Fassung endet, will Anna Schäfer aber nicht verraten. Für die Auflösung muss sich das Publikum bis zur Premiere am 23. Januar gedulden.

Goethes klassisches Drama, 1806 uraufgeführt, ist nicht das einzige Betätigungsfeld der vielseitigen Künstlerin Anna Schäfer, die aus einer Theaterfamilie stammt. Ihre Eltern Roland Schäfer und Angelika Thomas spielten unter anderem am Deutschen Schauspielhaus, Thomas wechselte 1985 ans Thalia Theater. Für Anna Schäfer war schon früh klar, dass auch sie ans Theater wollte. „Mit ein paar Umwegen hat es auch geklappt“, erzählt sie. Sie hat am Stadttheater Bern und am Schauspielhaus Bochum gespielt, aber auch sehr früh schon eine Reihe von Fernsehrollen übernommen. Erst 2016 ist sie mit ihrem Mann Jochen Kilian und ihren beiden Kindern nach Hamburg zurückgekehrt, lange hat sie in Nordrhein-Westfalen gelebt oder ist für TV-Produktionen von Drehort zu Drehort gereist. „Das Familienleben brauchte eine minuziöse Planung und selten konnten mein Mann und ich parallel größere Projekte verfolgen“, sagt sie. Seit zwei Jahren steht sie jedoch (aus bekannten Gründen nur selten) mit Jochen Kilian in dem Musikkabarett Jetzt! Morgen war gestern auf der Bühne. Gerade gastierten sie mit dem Programm im Hamburger Sprechwerk, im März folgen zwei Auftritte auf dem Theaterschiff. „Der Abend ist ein Mix aus Kabarett, Theater, Musik, Comedy und Show. Wir setzen uns humoristisch mit der Frage nach dem Jetzt auseinander. Was heißt das? Wie schafft man das? Gibt's nur eins? Oder Mehrere? Und: Was fange ich mit dem Jetzt an“, beschreibt sie den Abend.

Anna Schäfer © Alan Ovaska

Anna Schäfer ist nicht nur komisch (was sie unter anderem im Fernsehen in der Reihe Knallerfrauen unter Beweis gestellt hat), sie ist auch eine fantastische Sängerin. 2019 gründete sie mit Jochen Kilian das Ensemble Anna und der Swing-Klub, eine hochkarätig besetzte Band, zu der unter anderem der Weltklasse-Gitarrist Giovanni Weiss gehört. „Das gehört zu den schönsten Projekten, die ich gemacht habe“, sagt sie und strahlt. „Jeder in der Band ist eigentlich eine One-Man-Show. Oder One-Woman-Show“, sagt sie. Doch das aufwändige Projekt liegt derzeit auf Eis. Weil wegen Corona keine Auftritte mit dem Swing-Ensemble gebucht werden konnten. Wegen der Bläser in der Band durfte nicht einmal geprobt werden. Dennoch hofft Anna Schäfer, dass es mit dem Swing-Club weiter geht. „Wir hoffen, dass wie eine Neustarthilfe bekommen. Dann wird es ab Herbst 2022 auch wieder Auftritte geben, unter anderem in der Komödie Winterhuder Fährhaus mit Gustav Peter Wöhler als Gast“, sagt sie und räumt ein, dass Jochen Kilian und sie manchmal der Übermut reitet. „Wenn man schlau ist, startet man kleinere Produktion und nicht etwas mit diesem Riesenaufwand. Aber wir halten es mit Nietzsche. Der hat gesagt: ,Kein Ding gerät, an dem nicht der Übermut sein Teil hat‘“.

Stella
Premiere: 21. Januar 2022, 19 Uhr, Hamburger Kammerspiele
weitere Vorstellungen bis zum 27. Februar

Mehr zu Anna Schäfer und ihre nächsten Termine gibt es auf ihrer Homepage www.annaschaefer.net

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