HEINRICH OEHMSEN

Im Gespräch mit Theaterintendant Axel Schneider

 

Über die Spielzeit 21/22, die Privattheatertage und die aktuelle Situation

 

von Heinrich Oehmsen

 

Axel Schneider ist Intendant von vier Hamburger Bühnen. Er leitet das Altonaer Theater, die Hamburger Kammerspiele, das Harburger Theater und das Haus im Park in Bergedorf. Er schreibt außerdem Bühnenfassungen und inszeniert, in der kommenden Saison unter anderem Volker Kutschers Roman Olympia. Wir haben mit ihm über die kommende Spielzeit, die Privattheatertage und die Auswirkungen der Pandemie gesprochen.

 

Wie sind Sie mit ihren Theatern durch die Pandemie gekommen?

Axel Schneider: Wir haben im Altonaer Theater, in den Kammerspielen und am Harburger Theater insgesamt 13 Stücke auf Halde produziert. Uns bzw. den Künstler*innen hat die Kurzarbeiterregelung geholfen. Da sie Stückverträge hatten, haben sie 60 Prozent der Gage bekommen. Der Bund und die Stadt Hamburg haben durch diese Unterstützung tolle Arbeit geleistet und uns gerettet. Zu Beginn der Pandemie war man natürlich frustriert, dass die erarbeiteten Stücke nicht vor Publikum gezeigt werden konnten. Wir haben aber interne Generalproben gemacht. Irgendwann kippte diese Stimmung und man war dankbar, dass überhaupt geprobt werden durfte.

 

Wenn schon so viele Stücke fertig geprobt sind, dann ist die Saison ja sicher...

Schneider: Ich habe bei der Vorstellung der Spielpläne schon gesagt, dass wir keine Resterampe an den Start bringen wollen. In Altona haben wir fünf von sieben Stücken neu produziert, an den Kammerspielen ist es ähnlich. Außerdem hatten wir vorab schon neue Verabredungen getroffen, die wir auch einhalten wollten.

In den Kammerspielen kommt zudem das Thema "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" hinzu. Deshalb starten wir dort am 19. September mit der Uraufführung von Der koschere Himmel in die Saison. Im kommenden Frühjahr spielen wir zu diesem Thema Herr Klee und Herr Feld mit Udo Samel und Matthias Habich in den Titelrollen.

 

Intendant Axel Schneider © BoLahola

Gibt es allgemeine Neuerungen an ihren Theatern?

Schneider: Wir werden in Zukunft um 19.30 Uhr und nicht mehr um 20 Uhr beginnen und sonntags um 18 Uhr. Wir haben aufgrund der Corona-Regeln überlegt, ob Stücke insgesamt kürzer oder ohne Pause inszeniert werden sollten. Ich bin etwas erstaunt, dass die Staatstheater gerade sehr viele Vier-Stunden-Stücke raushauen.

 

Werden sie die 3G- oder die 2G-Regel anwenden?

Schneider: Da wir mit vielen Stücken schon im Verkauf sind, werden wir nach der 3G-Regel verfahren. Wir spielen bis ins Weihnachtsgeschäft im Schachbrettmuster. Aber es kann gut sein, dass wir das in Zukunft an 2G anpassen. Und Ausnahmen wird es sicher auch geben.

 

Am Altonaer Theater haben Sie ein Ensemble zusammengestellt. Erklären Sie bitte die Idee dahinter.

Schneider: Als Privattheater kann man sich eigentlich nie ein festes Ensemble leisten. Wir haben ein offenes zwölfköpfiges Ensemble formiert, das durch bis zu 40 Schauspieler*innen ergänzt wird, die regelmäßig bei uns spielen. Hinzu kommen weitere Gäste. Diesen Zwölf garantiere ich jede Spielzeit eine neue Produktion. So können wir eine gemeinsame Theatersprache entwickeln. Aber in neuen Produktionen sind immer auch andere Schauspieler*innen dabei, um zusätzliche Belebung von außen zu bekommen.

 

Neu ist auch Ihre Foyer-Bühne im Cafe Oelsner.

Schneider: Alle sechs Monate darf sich ein Ensemblemitglied mit einem Soloprogramm vorstellen, das der Freundeskreis fördert. Nadja Wünsche hat den Anfang mit Irmgang Keuns Kind aller Länder gemacht, Johan Richter folgt im Oktober mit Finsternis, das auf einem Roman von Davide Enia basiert. Jeweils im Frühjahr und im Herbst wird es neue Produktionen geben. Die Zuschauer*innen haben sich übrigens sehr gefreut, die Inszenierung ohne Maske sehen zu dürfen, weil im Café getrunken und gegessen werden darf. 50 Meter weiter im großen Saal muss das Publikum Masken tragen, das ist schon etwas absurd.

 

Die Spielzeit im Altonaer Theater hat nicht mit einem Roman, sondern mit Hair begonnen. Warum fangen Sie mit einem Musical an?

Schneider: Wir haben ja früher immer Sommermusicals gezeigt. Durch Corona musste es an den Anfang der Saison geschoben werden. Wir überlegen jedoch, ob wir diese Regelung nicht beibehalten und unsere Abteilungen im Juli in den Urlaub schicken und dann statt Anfang August erst Ende August mit voller Kraft anfangen.

 

„Wir spielen Bücher“, lauten seit vielen Jahren ihr Slogan und ihr Konzept für das Altonaer Theater. Die Staatstheater bedienen sich mittlerweile auch verstärkt bei Romanvorlagen. Ärgert sie das?

Schneider: Nein, es bestätigt uns ja sogar. Wir machen das seit 15 Jahren. Diese Idee ist originär hier am Theater entstanden. Von der Fülle an den Staatstheatern bin ich überrascht, in Einzelfällen nervt es mich auch. Früher waren es Filmagenturen, die am selben Stoff dran waren, jetzt gibt es Konkurrenz durch Staatstheater. Mittagsstunde von Dörte Hansen hätte mich natürlich auch interessiert. Wer eine Adaption nahe am Werk erleben will, ist bei uns bestens aufgehoben.

 

Sie werden in der kommenden Saison Volker Kutschers „Olympia“ inszenieren, den abschließenden Roman aus der Gereon-Rath-Reihe.  Wie sind Sie an die Rechte gekommen?

Schneider: Wir haben guten Kontakt zu vielen Verlagen, hatten aber auch Glück. Tom Tykwer und Co. wollten Kutschers Romane bei ihrem Babylon Berlin-Projekt nur bis 1933 verfilmen, dadurch sind letzten Teile des Romanzyklus für das Theater frei geworden. Ich finde Kutschers Werk intelligent und spannend und wie es über acht Teile verzahnt ist. Ich habe mich auf eine Regiearbeit noch nie so akribisch vorbereitet wie bei Olympia.  Es geht darum, einen Abend zu schaffen, der unabhängig von den anderen sieben Teilen stehen muss. Außerdem ist ein Krimi in seiner Logik noch einmal anders aufgebaut.

 

Wie steht es um die Zukunft der Privattheatertage, die ja auch von Ihnen ins Leben gerufen wurden?

Schneider: 2022 wird es sie definitiv wieder geben. Allerdings haben wir leider keine Grundlagenförderung vom Bund bekommen und müssen jedes Jahr einen neuen Projektantrag formulieren. Ich bin heilfroh, dass es durch Corona und den Ausfall 2020 zu der Verschiebung gekommen ist. Wenn wir jetzt für 2022 beantragen müssten, würden wir den Zuschlag erst nach der Wahl, nach der Koalitionsbildung und nachdem die Gremien ihre Arbeit aufgenommen haben, im Mai bekommen. Das wäre zu spät für eine Planung. Durch die Verschiebung wissen wir, dass es die zehnten Privattheatertage geben wird. Wir haben dann die Chance, diejenigen zu überzeugen, die dann in der Verantwortung stehen, und zu zeigen, dass dieses Festival es wert ist, damit weiterzumachen.

 

Was sind Ihre Wünsche für die kommende Spielzeit?

Schneider: So schnell wie möglich die Masken weg im Zuschauerraum! Außerdem wünsche mir, dass die Menschen so schnell wie möglich wieder Zutrauen dazu finden, zu den alten Lebensgewohnheiten zurückzukehren und kulturelles Leben wiederzuentdecken.

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