Vorzeitiger Saisonschluss
und hoffnungsvolle Planungen in
Hamburgs Theatern

 

Spielbetrieb bis 30. Juni eingestellt – Axel Schneider plant Privattheatertage digital - András Siebold hofft auf das Sommertheater

 

von Heinrich Oehmsen

 

Die Saison ist für die meisten Theater vorbei. Nachdem Kultursenator Carsten Brosda in der vergangenen Woche ein Spielverbot bis zum 30. Juni bekannt gegeben hat, verfügen die staatlichen und privaten Bühnen über Planungssicherheit für die nächsten Monate.

„Wir bereiten jetzt die kommende Saison vor, von der wir hoffen, dass sie im September beginnen wird“, sagt Maren Dey, im Thalia Theater zuständig für Kommunikation. Thalia-Schauspieler*innen und -Regisseur*innen hatten zum Teil über digitale Dienste Texte geprobt und sich sogar Szenen vorgespielt, ohne miteinander gemeinsam auf einer Bühne zu stehen. Konkrete Termine werden aber zurzeit von niemandem in den Theaterinstitutionen genannt, weil die Corona-Situation keine Prognosen zulässt und nicht absehbar ist, wann die Abstandsbeschränkungen aufgehoben werden.

Karin Beier
Foto: Christophe Gateau

Auch das Deutsche SchauSpielHaus hat seinen Spielbetrieb eingestellt und hofft die kommende Saison am 11. September mit Karin Beiers Inszenierung von Reich des Todes von Rainald Goetz eröffnen zu können. Klar ist mit der Entscheidung der Kulturbehörde auch, dass es in diesem Jahr kein Hamburger Theaterfestival geben wird, das eigentlich am 22. April mit einem Gastspiel des Deutschen Theaters Berlin hätte starten sollen. Eine Verlegung seines Festivals mit insgesamt acht Gastspielen im Mai und Juni in den Herbst sieht Besch skeptisch, weil er auf freie Spieltage der großen Theater angewiesen ist. „Alle werden im Herbst selber spielen wollen so oft es geht, da werden wir kaum Termine bekommen. Mit großem Bedauern müssen wir das Festival 2020 absagen.“ Beschs erfolgreiches Festival wird deshalb erst 2021 eine Fortsetzung erfahren.

Alex Schneider dagegen hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, die von ihm initiierten Privattheatertage vom 9. bis zum 21. Juni auszurichten – auch ohne Publikum. Die reisende Jury hat vor der Schließung der Theater in Deutschland die Bewerbungen geprüft und ist zu einer Entscheidung über die zwölf besten Inszenierungen in den drei Kategorien gekommen. Schneider will die Stücke in jedem Fall zeigen. „Die Theater werden nach Hamburg kommen. Wir werden die Aufführungen dann mit drei Kameras filmen und per Streaming zeigen. Die Hamburg-Jury wird mit dem entsprechenden Sicherheitsabstand im Zuschauer*innenraum sitzen und die Inszenierungen bewerten“, so Schneider.

Schmidt Theater Fassade
Foto: Ingo Boelter 

Während die drei staatlichen Bühnen Deutsches SchauSpielHaus, Thalia Theater und die Hamburgische Staatsoper und auch einige der Privattheater von Juli an ohnehin in die jährliche Spielpause gegangen wären, gibt es jedoch eine ganze Reihe von Privattheatern, die das ganze Jahr durchspielen:
„Wir üben uns im dynamischen Planen“, sagt Tessa Aust. Damit meint die Geschäftsführerin der drei Schmidt-Theater am Spielbudenplatz, dass sie und ihre Kolleg*innen jede Woche neu nachdenken müssen, wie in der aktuellen Corona-Krise gehandelt werden muss. Die Hoffnung auf eine baldige Wiedereröffnung der Theater in Hamburg liegt nach den zaghaften Lockerungsbeschlüssen der Bundesregierung und der Ministerpräsidenten in einiger Ferne. Digitale Angebote vieler Theater werden zwar gut angenommen, bringen den Theatern aber keine der so dringend benötigten Einnahmen. Für die drei Schmidt-Theater umso katastrophaler, weil die Kiezhäuser ohne staatliche Subventionen auskommen müssen. Wann die nächsten Premieren in Schmidts Tivoli, im Schmidt Theater und im Schmidtchen über die Bühne gehen werden, steht in den Sternen. Immerhin können Theatergänger*innen jetzt schon Karten für das Weihnachtsmusical Die Weihnachtsbäckerei kaufen, das von November an wieder auf dem Spielplan steht. Auch das für den Sommer von Schmidt-Impresario Corny Littmann geplante Spielbuden-Festival wackelt: Anfang Juni will Littmann entscheiden, wann er sein Open-Air-Festival veranstalten wird. 

Die Komödie Winterhuder Fährhaus spielt normalerweise ebenfalls den ganzen Sommer hindurch. Im Juli steht noch eine Premiere auf dem Programm. „Wir wissen nicht, was im Juli und August sein wird“, sagt Theaterleiterin Britta Duah. Nicht machbar ist ihrer Ansicht nach, eine Regelung, bei der nur jeder zweite Platz besetzt sein würde: „Mit den derzeitigen Abstandsregeln ist schon der Einlass ins Theater kaum zu realisieren.“ Duah lobt zwar die unbürokratische Hilfe der Stadt bei der Erstattung der Fixkosten, sagt aber auch ein Defizit ihres Theaters voraus. „Wir schulden unseren Abonnent*innen wegen der wochenlangen Schließung drei Premieren. Das ist kaum aufzuholen.“

Im Ohnsorg-Theater wünscht sich Intendant Michael Lang ebenfalls eine Sommerbespielung. „Wir entwickeln gerade ein Hygiene-Konzept, das im nächsten Schritt auf die Wirtschaftlichkeit überprüft werden muss. Auch muss überlegt werden, unter welchen Voraussetzungen Schauspieler*innen überhaupt auf der Bühne spielen können“, so Lang.

Kampnagel
Internationales Sommerfestival
Foto: Anja Beutler 

Noch vorsichtig optimistisch ist András Siebold, Leiter des Sommerfestivals auf Kampnagel: „Eine konkrete Aussage können wir nicht machen, weil wir nicht in die Zukunft sehen können. Aber Kampnagel bietet mit seiner Größe und seinen vielen Zugängen zu den Sälen andere Möglichkeiten als herkömmliche Theater.“ Siebold machte aber auch deutlich, dass internationale Gruppen von außerhalb der EU-Staaten kaum eine Möglichkeit hätten, im August nach Europa zu kommen. „Wir wollen Künstler*innen die Möglichkeit geben, sich zu präsentieren. Wir sind in der Lage, schnell zu reagieren und auch kurzfristig ein attraktives Programm zusammenzustellen“, so der Festivalmacher.

Bis sich der erste Vorhang wieder hebt, werden sich die Theaterbesucher*innen weiter gedulden müssen. Bis dahin bleibt den Zuschauer*innen das digitale Angebot der Theater, das in diesem Artikel zusammengefasst ist.

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