Eine Bühne. Ein Blick.

- Maren Dey -

Thalia Theater

 

von Heinrich Oehmsen

 

Seit Sommer 2018 ist Maren Dey am Thalia Theater zuständig für Kommunikation und Pressearbeit und Teil des Leitungsteams unter Intendant Joachim Lux.  In ihrer Abteilung arbeiten acht Mitarbeiter*innen, die für Öffentlichkeitsarbeit, Marketing, Drucksachen, soziale Medien und alle digitalen Formate verantwortlich sind. Die aus Hessen stammende Kulturmanagerin hat Theater- und Filmwissenschaft, Neuere Deutsche Literatur und Französische Philologie studiert und arbeitet seit mehr als 20 Jahren in verschiedenen Kultursparten, unter anderem im ZDF für „Das kleine Fernsehspiel“ und als PR-Managerin für internationale Arthouse Filme. Sie war von 2007 bis 2010 am Staatsschauspiel Dresden als Marketingdirektorin engagiert und von 2011 bis 2016 Leiterin der Kommunikation an der Schaubühne Berlin. Für das Theaternetzwerk European Theatre Convention (ETC) betreute sie als Projektleiterin das zweijährige EU-Forschungsprojekt „European Theatre Lab: Drama goes digital“ mit sieben europäischen Theatern. Wir trafen Maren Dey in einem Café in der Hamburger Innenstadt, natürlich mit dem erforderlichen Abstand.

 

Was sind die größten Herausforderungen für Sie in der gegenwärtigen Corona-Krise?

Einen Tanker wie das Thalia Theater in laufender Fahrt zu stoppen, bedeutet sehr viel Arbeit. Ich habe wirklich Respekt vor unserer Geschäftsleitung, die sich um Kurzarbeit, Verträge, ein Sicherheitskonzept und andere, in erster Linie bürokratische Vorgänge, kümmern musste. Gleichzeitig bereiten wir den Spielzeitbeginn im September vor, immer mit dem seltsamen Gefühl, dass jeder Plan nächste Woche wieder hinfällig sein könnte. Das ist für alle Beteiligten kompliziert, man steht ja irgendwie mit einem Fuß auf dem Gas und mit dem anderen auf der Bremse. Es gibt außerdem einen enorm zeitaufwändigen Abstimmungsbedarf, weil es neue Aufgaben gibt und viele der gewohnten Abläufe weggefallen sind.

 

Wie sieht bei Ihnen einen Tag im Home-Office aus?

Im Moment kümmere ich mich zusammen mit der Dramaturgie und der Videoabteilung vor allem um unser digitales Programm. Parallel werden alle Kommunikationsmittel für die neue Spielzeit vorbereitet, es gibt auch wieder viele Presseanfragen. Meistens sitze ich ab 9.30 Uhr am Rechner, schreibe und beantwortete E-Mails, telefoniere mit Kolleg*innen, Journalist*innen,  bin in Zoom-Konferenzen, plane und organisiere oder schreibe und redigiere Texte. Man schaut natürlich auch viel im Netz, was andere so machen. Die Tage sind gut gefüllt, aber leider fehlt der „analoge“ menschliche Austausch, und das kostet Kraft.

 

Wie sehen im Moment die konkreten Planungen für die kommende Spielzeit aus?

Wir möchten im Juni gern zu einer Spielzeit-Pressekonferenz einladen, wissen aber noch nicht, ob wir Journalisten*innen ins Theater einladen oder ob die Konferenz nur digital stattfinden wird. Wir eröffnen die Spielzeit mit den geplanten Premieren und holen auch die drei coronabedingt ausgefallenen Neuinszenierungen im Herbst nach.

Aus Sicherheitsgründen werden wir nur vor einem Bruchteil des Publikums spielen, es gibt Abstandsregeln für die Zuschauer*innen und die Schauspieler*innen, deshalb müssen zum Beispiel auch Bühnenbilder verändert werden. Wir wollen Stücke zeigen, die ohne Pause gespielt werden können, damit Schlangen vor den Toiletten vermieden werden. Ich finde es wichtig, dass man jede*n im Theater schützt, so gut es geht. Wir haben ein Sicherheitskonzept mit einem ausgeklügelten Sitzplan erarbeitet.

 

Maren Dey, © Caroline Scharff

Sie haben lange in Berlin gearbeitet und haben dort immer noch Ihre Hauptwohnung. Was ist das Besondere an Ihrer Aufgabe als Kommunikations-Chefin an einem der großen Hamburger Theater?

In Hinblick auf die Medien ist Hamburg überschaubarer als Berlin, was auch viele Vorteile hat. Man kennt sich, man mag sich, man ruft sich auch auf kurzem Weg etwas zu. In Berlin ist es in mancher Hinsicht härter, sich zu behaupten, die Konkurrenz ist einfach sehr groß. Dafür wird das Kulturangebot in Berlin für mein Gefühl insgesamt mit mehr Selbstverständlichkeit und Lässigkeit genutzt. Hamburg ist da etwas bürgerlicher. Die Wege das Publikum zu erreichen, sind aber letztlich immer ähnlich – auf allen Kommunikationskanälen.
Eine große Herausforderung ist, nicht nur neue, diverse Zielgruppen zu erschließen, sondern auch die bestehenden zu halten – vor allem unsere Abonnent*innen.  Ein Abo klingt für viele verstaubt, dabei ist es eine wirklich tolle, unkomplizierte Art, sich an ein Theater zu binden.

 

 Können Intendant*innen in Hamburg weniger wagen als in Berlin?

Nein, das glaube ich nicht. Wir wagen viel. Ich bin oft erstaunt, was die Zuschauer*innen hier so alles gut finden. Hamburg ist sehr offen. Ich kenne viele Schauspieler*innen, die gern in Hamburg spielen, weil das Publikum so begeisterungsfähig ist. Aber es ist nicht unkritisch. Ein 1000-Plätze-Haus wie das Thalia Theater füllt sich aber trotzdem nicht von selbst, man muss schon einiges tun.

 

Wie können Sie das Thalia Theater in ihrer Funktion weiter stärken?

Das Thalia Theater hat innerhalb der Stadt einen guten Stand. Das Ensemble wird zu Recht in den höchsten Tönen gelobt und geliebt. Wir kommunizieren die Stärken, und versuchen dabei, immer wieder neue Wege zu gehen, gerade, um ein jüngeres Publikum ins Haus zu holen. Unsere Theaterpädagogik spielt da natürlich eine wichtige Rolle. Wir bauen unsere Präsenz in den sozialen Medien aus, aber auch auf Straßenfesten und Märkten. Es gibt Kampagnen, Workshops und Festivals für Studierende.
Im Spielplan braucht man auch Stoffe, die den Nerv bei jüngeren Zuschauer*innen treffen, das kann mit Musik, die Art des Inszenierens, aber auch mit der Besetzung von Schauspieler*innen zu tun haben. Mit den Lessingtagen haben wir ein besonderes Festival im Programm, das ein ganz eigenes Publikum hat und auch die internationalen Gastspiele sprechen neue Zielgruppen an.

 

Können Sie ein Beispiel für Aktionen mit Studierenden geben?

Wir kooperieren zum Beispiel mit der Bucerius Law School. Wir haben einen ganzen Jahrgang zu einer Vorführung von Medea und Jason eingeladen. Die 120 Studierenden erhielten eine Einführung und hatten nach der Vorstellung die Möglichkeit, die beiden Darsteller Maja Schöne und André Szymanski zu einem Nachgespräch zu treffen. Das war eine sehr runde und für die Studierenden wohl überraschend coole Veranstaltung. Sie waren begeistert.

 

Sie haben vor ein paar Jahren an einem europäischen Forschungsprojekt mit dem Titel „Drama goes digital“ mitgewirkt. Hat Ihnen das in diesen Zeiten geholfen, in denen das Digitale immer wichtiger wird?

Ja, weil wir uns da sehr strategisch damit befasst haben, warum und wie digitale Technik für Theater wichtig ist. Dabei ging es aber weniger um die Kommunikationskanäle, als um die künstlerischen Auswirkungen von Digitalisierung: Wie kann ich mit digitalen Mitteln anders inszenieren? Wie beeinflusst das Digitale unser Erzählen auf der Bühne? Digitale Konferenzen wie sie jetzt tagtäglich passieren, waren Bestandteil der Arbeit bei einem Projekt zwischen den Theatern in Nancy, Karlsruhe, Tiflis und Berlin. Wir haben damals auf diese Distanz auch eine komplexe interaktive Theaterproduktion mit einer App entwickelt, mit der die Zuschauer*innen gesteuerte Rundgänge durch die jeweilige Stadt machen konnten; eine Verbindung  von Live-Theater und Augmented Reality.

 

Am Thalia Theater konnten Sie Ihr digitales Wissen auch gerade zielgerichtet einsetzen…

Zusammen mit einer Kollegin aus meiner Abteilung, unserer Dramaturgie und unserer Videoabteilung gestalte ich den Spielplan für #thaliadigital. Joachim Lux lässt uns dabei freie Hand. Das macht viel Spaß und es kommen gemeinsam viele neue Ideen auf. Die digitalen Formate werden in Zukunft wichtig bleiben.

  

Worauf freuen Sie sich in den nächsten Wochen?

Ich freue mich, dass ein Stück Normalität wiederhergestellt ist und es wieder mehr echte soziale Kontakte gibt. Dass man wieder Freund*innen und Familie sehen und hoffentlich auch reisen kann. Und ich freue mich natürlich, dass es in absehbarer Zeit wieder Theater geben wird – wenn auch in ungewohnter Weise.

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