Interview mit Mona Kraushaar
Von Heinrich Oehmsen
Seit einigen Jahren schon bewegt Mona Kraushaar die Idee im Kopf, Georg Büchners Komödie Leonce und Lena zu inszenieren. „Das Stück hat berührt und gereizt, aber ich hatte auch großen Respekt davor, weil es schwer zu knacken ist“, sagt die Regisseurin. Jetzt steckt sie am Ernst Deutsch Theater mitten drin in den Proben für das Lustspiel, das Büchner bereits 1836 geschrieben hat. Uraufgeführt wurde es jedoch erst 1895, fast 60 Jahre nach Büchners Tod. „Jetzt während der Arbeit merke ich, wie schwierig das Stück ist. Es ist sehr fragmentarisch, entwickelt keinen Sog und die Schauspieler können nicht psychologisch spielen“, umreißt sie ein paar Schwierigkeiten der Vorlage. „Unsere Aufgabe ist es, eine eigene Welt zu finden“, sagt Kraushaar. Sie hat sich entschieden, den Text musikalisch einzubetten und hat dafür den Komponisten Albrecht Ziepert an das Theater an der Mundsburg geholt. „Es gibt zwar Lieder in unserer Fassung, aber wir machen kein Musical. Die Musik ist eine Addition zu dieser märchenhaften und alptraumhaften Welt von Büchner“, erklärt die Regisseurin.
Foto: Oliver Fantitsch
Leonce und Lena ist bereits die zehnte Arbeit der aus Düsseldorf stammenden Regisseurin in Hamburg. Sieben Mal hat sie am Ernst Deutsch Theater inszeniert, 2014 ist sie für die Shakespeare-Komödie Was ihr wollt mit dem Theaterpreis Hamburg – Rolf Mares ausgezeichnet worden. „Das hat sich sehr gut angefühlt, weil ich meinen ersten Regievertrag am Ernst Deutsch Theater bekommen hatte und Was ihr wollt auch dort lief“, sagt sie. 2018 bekam Jele Brückner den Theaterpreis Hamburg – Rolf Mares als beste Darstellerin. Sie spielte Königin Elisabeth in Kraushaars gefeierter Inszenierung von Schillers Maria Stuart, ebenfalls am Ernst Deutsch Theater. Auch am Altonaer Theater hat Kraushaar schon gearbeitet. 2008 brachte sie dort mit großem Erfolg Herr Lehmann auf die Bühne, Sven Regeners Debütroman. 2015 wurde sie dort für Magical Mystery, einen weiteren Roman aus der Feder von Sven Regener, engagiert. Andere wichtige Stationen ihrer Theaterkarriere waren das Berliner Ensemble, das Düsseldorfer Schauspielhaus, das Tiroler Landestheater in Innsbruck und das Theater Ulm, wo sie im vergangenen Herbst Ingrid Lausunds Kammerspiel Benefiz – Jeder rettet einen Afrikaner auf die Bühne gebracht hat.
Mona Kraushaar, 48, bezeichnet sich selbst als Spätentwicklerin in Sachen Theater. Nach dem Abitur studierte sie in Erlangen Jura. „Das Studium fiel mir leicht, aber ich kam mit Mitte 20 in eine kleine Lebenskrise. Ich habe dann alles abgebrochen und mich neu orientiert. Vom Theater hatte ich nur eine diffuse Ahnung, es war eine unbekannte, aber faszinierende Welt. Ich habe nach einem Raum gesucht, in dem ich mich selber finden kann und der mich berührt“, erzählt sie und streicht eine ins Gesicht fallende Haarsträhne hinter ihr linkes Ohr. Dem Theater genähert hat sie sich übers Zugucken bei verschiedenen Hospitanzen. Kraushaar geht gern in die Rolle der Beobachterin: „Schon als Kind habe ich Stunden lang Menschen beobachtet, ohne zu reden. Immer noch strengen mich viele Menschen und das viele Reden an. Morgens denke ich oft: Heute würde ich am liebsten gar nichts sagen.“
Doch Probenarbeit ohne zu reden geht nicht. Kraushaar gehört zu den Theaterleuten, die sich sehr intensiv mit ihren Schauspieler*innen beschäftigen, um gemeinsam eine Rolle zu entwickeln. „Der Schauspieler muss wirklich verstanden haben, was ich möchte, sonst kann er das nicht umsetzen“, sagt sie auf eine sanfte Art. Das Miteinander sei ihr wichtig, das gemeinsame Entwickeln von Figuren. Das ist jetzt am Ernst Deutsch Theater wieder so. „Alle aus dem Ensemble und dem Team ziehen voll mit. Es wird eine Menge kreativer Energie freigesetzt“, sagt sie. Ihren Ansatz sieht sie selbst als perfektionistisch an, und sie sieht diese Detailbesessenheit bei sich durchaus kritisch. Im Gespräch ist sie ebenfalls überlegt, sie antwortet präzise und offen und gibt eine Menge persönlicher Details preis. Der Druck bei machen Arbeiten sei so groß, dass sie an ihre körperlichen Grenzen gehen müsse. „Manchmal fühle ich mich regelrecht zernichtet“, sagt sie und zitiert damit ein Wort, das Büchner in einem seiner Briefe benutzt hat.
Nach der Premiere wird sie nach München zurückkehren, wo sie lebt. Ausspannen ist nach der Arbeit am Ernst Deutsch Theater dieses Mal nicht möglich. Zehn Tage nach der Premiere von Leonce und Lena beginnt Kraushaar am Kieler Schauspielhaus mit den Proben zu Maria von Simon Stephens, das vor einem Jahr am Thalia Theater uraufgeführt worden ist. Angesichts ihres gedrängten Terminplans ist die Regisseurin bescheiden geworden: „Ich hoffe, dass ich vorher mal etwas in meiner Badewanne in München ausspannen kann“